Den Mythos, dass Großvögel auch kleine Babys greifen und in ihr Nest tragen, gab es schon bei den antiken Griechen. Ihm verdanken wir die Sage von Ganymed. Der Gigant unter den europäischen Großvögeln, der Bartgeier, stand darüber hinaus in dem Ruf, Schafherden die Lämmer zu rauben. Deswegen wurde er auch „Lämmergeier“ genannt. Durch das Feindbild des Räubers wurde der großartige Vogel nahezu ausgerottet. In ganz Europa leben heute nur etwa 200 Exemplare, im gesamten Alpenland werden 43 Brutpaare gezählt.
Lebenszeichen am Himmel
Groß war deshalb die Aufregung unter Vogelfreunden im Allgäu, als man dieses Frühjahr östlich von Oberstdorf nacheinander zwei Bartgeier am Himmel entdeckte. Mit einer Flügelspannweite von bis zu drei Metern sind sie in den Hochalpen eine unverkennbare Erscheinung. Im Frühjahr besteht in den Bergen immer erhebliche Lawinengefahr und dann suchen Bargeier gezielt nach Tieren, die den Lawinen zum Opfer fielen. Denn entgegen der menschlichen Vorstellung fressen Bartgeier ausschließlich Aas.
Der LBV-Gebietsbetreuer Henning Werth, der die Bartgeier entdeckt und fotografiert hat, hegt nun die Hoffnung, dass der Bartgeier als Brutvogel in die deutschen Alpen zurückkehrt. Seit 30 Jahren versucht man in einem internationalen Gemeinschaftsprojekt, den Greifvogel wieder einzubürgern. Da Bartgeier aber erst nach sechs Jahren geschlechtsreif werden und in freier Wildbahn immer nur einen Jungvogel großziehen, ist der Nachwuchs selten und kostbar.
Mit dem Temperaturanstieg und den damit verbundenen Lawinenabgängen erwartet der LBV in den Allgäuer Alpen weitere Suchflüge, auch von anderen Bartgeiern. Er bittet alle Wanderer und Skifahrer, die Bartgeier sichten, ihre Beobachtungen umgehend dem LBV zu melden.
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Bildquelle: Richard Bartz, Wikimedia Commons