Wenn der Brunnen trocken ist, schätzt man erst das Wasser, schrieb der Dichter und Philologe Karl Simrock 1848. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Durch die Klimaerwärmung schrumpfen Seen zu kleinen Pfützen. Die Gletscher der Alpen schmelzen dramatisch. Der Zugspitze sagt man voraus, sie werde bis zur Jahrhundertmitte keinen Gletscher mehr haben. Und im Allgäu beschließt man visionär, an den letzten unberührten Alpenbächen dennoch neue Wasserkraftwerke zu bauen. Weil da gewiss ein paar Wassertropfen zu holen sind, die man zu Strom machen kann. Die Frage ist, wie lange noch? Die Ressource Wasser ist endlich, das lernt man gerade überall auf der Welt, nur nicht in Bayern.
Neue Wasserkraftwerke braucht das Land?
Wie der Bund für Naturschutz mitteilte, wird nach Gemeinderatsbeschluss der Marktgemeinde Oberstdorf ein Wasserkraftwerk am bislang unberührten Unterlauf des Rappenalpbaches mit der Beteiligung des Gemeindeeigenen Energieversorgers errichtet werden. Ein weiteres Kraftwerk soll im Nachbartal an der Trettach gebaut werden. Die Oberläufe dieser alpinen Quellbäche der Iller bilden gemeinsam eines der letzten ökologisch intakten Bachsysteme in den bayerischen Alpen.
Kilometerlange Ausleitungen
Für die neuen Wasserkraftwerke würde den Wildbächen durch kilometerlange Ausleitungen das Wasser entzogen. Das alpine Naturschutzgebiet wird dadurch trockengelegt, noch bevor kein Schnee mehr in den Alpen liegt und die Klimaerwärmung ihr übriges tut. Aber was soll´s. Viele bayerischen Oberflächengewässer sind bereits in einem schlechten ökologischen Zustand, da kommt es auf zwei mehr auch nicht mehr an. So verspielt man in Bayern das Naturerbe für die nächsten Generationen.
Die Frage ist auch, wie viele Touristen in diesen Fleck des Allgäus fahren werden, um eine verbaute Natur zu besichtigen, anstatt sich in einer natürlich gewachsenen Landschaft zu erholen.
Solar- und Windkraft haben Zukunft
Die Befürworter der Kraftwerkneubauten argumentieren bei Ihrem Vorgehen mit der EU-Notverordnung und dem Gesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Vorranggebieten. Ignoriert wird dabei nicht nur, dass in diesen letzten Wildnisgebieten die Natur streng geschützt ist. Ignoriert wird auch, dass es ebenso Solar- und Windkraft-Anlagen als Alternativen gäbe, wenn man sie denn bauen würde. Der Ausbau dieser erneuerbaren Energien wurde allerdings in Bayern jahrelang vernachlässigt. Er würde zuerst auch mehr Geld kosten als eine kostenlose Wassernutzung. Aber Solar- und Windkraft werden als Energie-Ressourcen wesentlich mehr Zukunft haben, als das absehbar immer weniger werdende Wasser.
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Der Bund für Naturschutz in Bayern kämpft für den Erhalt der geschützten Gebiete im Allgäu. Wer ihn darin unterstützen möchte → bundnaturschutz.de
Titelfotografie: Die Stillach bei Birgsau von Martin Kraft, Wikimedia Commons 3.0