Wofür ein neues Volksbegehren in Bayern?
Mit dem Volksbegehren will man erreichen, dass Eigenrechte der Natur in die Bayerische Verfassung aufgenommen werden, und zwar über eine Änderung des Artikels 101. Der Artikel erklärt die persönliche Freiheit des einzelnen und wo sie aufhört: „Jederman hat die Freiheit, innerhalb der Schranken der Gesetze und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet.“ Die Änderung soll lauten
„…was den Rechten anderer und den Rechten der natürlichen Mitwelt nicht schadet.“
Für den Antrag zum Volksbegehren sollen in Bayern 250.000 Unterschriften bis 2023 zusammenkommen.
Brauchen wir denn eine Änderung?
Die Formulierung „ Rechte der natürlichen Mitwelt“ liest sich eher unauffällig, bringt aber eine grundsätzliche Veränderung in der Auffassung von Natur zum Ausdruck. Nicht nur der Mensch hat einen Anspruch auf Rechte, sondern auch die Natur.
Seit biblischen Zeiten(¹) sehen wir die Erde als unseren Untertan an, und dementsprechend haben wir diesen Untertan auch ausgebeutet. Die Zerstörung der Natur auf der Erde schreitet voran, in gigantischem Ausmaß, irreparabel und rasend schnell.
Allerdings gab es im Zeitalter des Menschen nie nur die eine Haltung. Im sogenannten „wilden Denken“(²) indigener Völker nimmt die Achtung der Natur eine zentrale Stelle ein. Es ist deshalb kein Zufall, wenn bisher nicht etwa in unserer angeblich weiter entwickelten westlichen Welt die Natur eigene Rechte zugesprochen bekommt, sondern in Gebieten, in denen Naturvölker im Einklang mit dem Meer, den Wäldern, Flüssen, Seen und Tieren leben. Wie etwa 2018 in Kolumbien. Dort gab das oberste Zivilgericht einer Klage von Kindern und Jugendlichen recht. In ihrer Region wurde der Regenwald am Amazonas zur Rechtspersönlichkeit erklärt, Waldrodungen sind dort verboten.
Was ist eine °Rechtspersönlichkeit“?
Der juristische Begriff ist in der Wirtschaft vertrauter. Eine GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) beispielsweise wird von Menschen als Unternehmensform gegründet. Vor dem Gesetz ist das Unternehmen selbst eine eigene Rechtspersönlichkeit, eine sogenannte juristische Person. Im Falle einer Klage vor Gericht könnte ein Anwalt im Namen der juristischen Person tätig werden und die GmbH vertreten.
Auch Flüsse und Wälder können nicht selbst vor Gericht ziehen, aber wenn man sie als Rechtspersönlichkeit anerkennt, könnten sie vor Gericht und in der Rechtssprechung einen gesetzlichen Vertreter haben. Wie der Amazonas Regenwald, der von Kindern und Jugendlichen vertreten wurde. Andere mögliche Vertreter wären zum Beispiel Naturschutz- und Artenschutz-Organisationen.
Was bringt ein Erfolg des Volksbegehrens?
Ganz generell stellt eine Neufassung des Artikels 101 BayVerf die Natur vor dem Gesetz auf eine höhere Stufe.
Die Rechtssprechung würde damit einem Wandel in der Einstellung zur Natur folgen, weg von der Ausbeutung hin zur Anerkennung ihres Wertes. In Industrieländern tut man sich mit diesem Wertewandel noch schwer. Eine GmbH stellt – juristisch betrachtet – bei uns mehr dar als ein Jahrtausende alter Fluss. In Deutschland wäre Bayern mit einer Änderung des Artikels 101 BayVerf ein Vorreiter.
Die Natur muss das Recht haben, unversehrt zu bleiben. Und sie braucht gesetzliche Vertreter, die ihr Recht schützen. Im Angesicht der steigenden Klimakatastrophen sind dafür Änderungen in der Gesetzgebung dringend notwendig.
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Wer unterschreiben möchte, wendet sich bitte an
Wer will mithelfen, dass 250.000 Unterschriften zusammenkommen?
-> https://gibdernaturrecht.muc-mib.de/unterschriften-sammeln
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¹) Genesis 1,28: Macht euch die Erde untertan und herrschet über die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels, über das Vieh und alles Getier…“ (Übersetzung aus der Luther-Bibel).
²) „Das wilde Denken“, Begriff des französischen Anthropologen Claude Lévi-Strauss.