Der brasilianische Amazonas-Regenwald brennt und niemand löscht die Feuer. Laut dem brasilianischen Institut für Weltraumforschung (INPE) wurde 2018 bereits doppelt so viel Wald vernichtet wie im Vorjahreszeitraum. Den Daten der INPE zufolge gab es allein von Januar bis August 2019 mehr als 71.000 Waldbrände im Amazonas Regenwald – ein neuer Rekord. Wegen der Bekanntgabe dieser Daten wurde der Institutschef von INPE, Ricardo Galvao, im August 2019 entlassen. Trotzdem veröffentlicht die Behörde weiterhin ihre Messdaten.
Die Feuer werden an vielen Stellen in mehreren brasilianischen Bundesstaaten gelegt und zerstören für immer den Lebensraum von einzigartigen Tieren und Pflanzen. Ob denen noch eine Zukunft bleibt, ist fraglich. Nach einem Bericht der Weltbank vom Februar 2018 werden bis 2025 etwa 75 % des Amazonas Regenwaldes verschwunden sein. Bis 2075 wird es im Westen Amazoniens vermutlich nur noch 5 % des Regenwaldes geben, als Folge von Entwaldung, Klimawandel und Brandrodungen.
Der Regenwald des Amazonas teilt damit das Schicksal des atlantischen Regenwaldes, der – so wird geschätzt – im 17. Jahrhundert einmal 80 % des brasilianischen Landes bedeckte und heute nur noch zu 2 % vorhanden ist. Man kann ihn heute in eingezäunten Naturparks besichtigen. Das ist alles, was von ihm übrig blieb.
Die Anhänger des ultrarechten Staatspräsidenten Jair Bolsonaro sehen diese Schwarzmalerei gelassen. Den Klimawandel gibt es nicht, das ist eine Hysterie der hochnäsigen Gringos, der Besserwisser aus westlichen Staaten, die im Amazonas-Gebiet nichts zu suchen haben. Der brasilianische Regenwald ist brasilianisches Nationaleigentum, die weltweite Kritik eine koloniale Einmischung.
Ganz richtig ist das natürlich nicht. Tatsächlich gehört das Land Brasilien nicht allen Brasilianern, sondern etwa sechs großen Familien, die nach der Unabhängigkeit Brasiliens zuerst mit Vieh, dann mit anderen Wirtschaftszweigen reich wurden und heute unermesslichen Landbesitz ihr eigen nennen. Diese Familien sind weit verzweigt. Jede hat Verwandte, die in Brasilia, der brasilianischen Hauptstadt, im Parlament sitzen und die Interessen der Familie vertreten. Und die Familien haben eigentlich nur ein Interesse – noch reicher zu werden.
Deshalb kann der einfache Brasilianer auch wählen wen er will, den konservativen Cardoso (brasilianischer Präsident 1995 – 2003) oder den linken Lula (brasilianischer Präsident 2003 – 2011), es kommt ausschließlich ein Politiker an die Macht, der die Wünsche der Familien erfüllt. Auch deshalb versinkt das moderne Brasilien im Sumpf der Korruption und die Armen bleiben arm. Man muss sich die öffentliche Stimmung vor Augen halten, die zwischen Wut und dem Gefühl der Ohnmacht schwankt, um zu verstehen, warum ein Ultrarechter wie Jair Bolsonaro Präsident werden konnte. Er erinnert viele Brasilianer an die Militärdiktatur (1964 – 1985). Zu dieser Zeit herrschte wenigstens noch Ordnung, so denken Wähler Bolsonaros.
Und man muss wissen, für wen Bolsonaro die Umweltauflagen lockert. Vordergründig sind es die Bauern, die jetzt 20 Hektar statt fünf Hektar Fläche abbrennen dürfen. Es ist sehr praktisch, wenn Bauern die Arbeit der Rodungen und der Flächenbrände übernehmen, um Ackerland zu schaffen. Jeder kann sehen, dass es Bolsonaro mit dem Versprechen ernst meint, Wohlstand für alle zu schaffen, und dabei die einfachen Bauern nicht vergisst. Und die Reichen machen sich die Hände nicht schmutzig, denn von der Zerstörung des Amazonas Regenwaldes bis zu ihnen hinauf führt keine Spur. Wie lange die Bauernopfer das Land dann ihr eigen nennen dürfen, bevor es von Mittelsmännern für ein paar Reais ( = brasilianische Währung, 1 Real entspricht 2019 0,22 Euro) aufgekauft wird, das kann man abwarten. Tatsache ist, es geht nicht darum, ein paar Bauern glücklich zu machen, sondern um skrupellose Landnahme, um auf immer größer werdenden Flächen Vieh zu züchten oder Soja anzubauen.
Titelbild – gemeinfrei: NASA – https://www.nasa.gov/image-feature/goddard/2019/wildfires-in-the-brazilian-rainforest-creating-cross-country-smoke Aufnahme vom 20.08.2019