Schon für die Zeit der Stadtgründung Münchens im 12. Jahrhundert kann die Flößerei auf der Isar nachgewiesen werden. Vor allem für Holz und Baumaterial, Kohle und Kalk erwies sich das Floß als ideales Transportmittel. Seit dem 15. Jahrhundert nahm Handelsware aus Italien zu, als der Bozener Markt nach Mittenwald verlegt wurde. Feine Handelsware wie Gewürze, Südfrüchte, Öl und Wein, Samt und Seide nahmen auf dem Floß ihren Weg in die Residenzstadt München zur Unteren Lände. Die Zahl der ankommenden Flöße stieg ständig und erreichte 1864 ihren Höhepunkt mit 11.145 Ankünften. Für die Unversehrtheit der Waren und Güter haftete der Floßmeister. Auch Reisende nutzten als Passagiere gerne ein Floß, da die Fahrt auf der Wasserstraße wesentlich schneller war als der Landweg. Die Fließgeschwindigkeit der Isar beträgt immerhin 8 – 10 Kilometer pro Stunde.
Die Flößer tragen eine hohe Verantwortung auf der Fahrt. Knapp 60 Leute passen auf ein Floß. Einfach losrudern geht da nicht. Das Floßführen erfordert eine mehrjährige Ausbildung. Nicht jeder ist dafür geeignet. Kraft, Mut, Naturverbundenheit und Verantwortung sind wichtige Voraussetzungen für den Beruf eines Flößers. Auch das Erlernen, wie ein Floß „gebunden“ wird, ist Teil der Ausbildung. Der Zusammenbau in Teamarbeit mit meist drei Flößern, dauert etwa 1 ½ Stunden. Nur Fichtenholzstämme werden für das ca. 18 m x 6,80 große Floß verwendet, da sie nicht so schnell Wasser ziehen. Das Floß hat ein Leergewicht von ca. 18 Tonnen.
Von Anfang Mai bis Mitte September können Passagierfloßfahrten auf der Isar gebucht werden. 25 Kilometer lang ist die Fluss-Strecke von Wolfratshausen bis zur Zentrallände in München-Thalkirchen. Die Floßfahrt dauert ungefähr sechs Stunden, je nachdem wie viel Wasser die Isar hat. Nach jeder Fahrt werden die Flöße vor Ort auseinandergebaut und die 18 Meter langen Floßstämme auf Tiefladern wieder zurück zu den Abfahrtsstellen der drei Floßmeisterbetriebe nach Wolfratshausen gebracht. Entweder zur Marienbrücke an der Isar oder zu den Weidach-Länden an der Loisach. Am nächsten Morgen erneut zum Floß gebunden, sind sie die ganze Saison im Einsatz. Bis zu 11 Passagierflöße können an einem schönen Sommertag auf der Isar unterwegs sein. Gleichzeitig mit Hunderten von aufblasbaren Schlauchbooten, die mit ihren Freizeitkapitänen flussabwärts treiben. Dann wird es eng auf der Isar. Vorfahrt haben allemal die schwer lenkbaren Flöße. – Früher war das anders. Nach der Ankunft wurde das komplette Floß an der Lände verkauft, samt seiner Ladung.
Wissenswertes: 2020 wurde die Passagierfloßfahrt auf Isar und Loisach, im Sinne des UNESCO-Übereinkommens, durch den Bayerischen Ministerrat als Immateriellen Kulturerbe in das Bayerische Landesverzeichnis aufgenommen. Die Passagierfloßfahrt steht als Kulturform im Kontext historischer Formen der Mobilität und reicht bis ins Mittelalter zurück.
Der nasse Tod
Die Gefahren bei der Floßfahrt zu verunglücken, lauerten mannigfach. Gestiftete Votivtafeln in den Kirchen entlang der Isar geben Zeugnis davon. Auch einige Marterl, nicht nur im oberen Isartal, erinnern vor Ort an Floßunglücke mit tödlichem Ausgang. Wie etwa bei Vorderriß, das seit 1926 den jungen Flößern Kaspar Oettl und Josef Bichelmair gedenkt, die bei Hochwasser durch einen waghalsigen Sprung vom Floß versuchten, das rettende Ufer zu erreichen. Der „nasse Tod“ war ständiger Begleiter der Floßleute. Zu Ehren der Flößerschutzpatrone in Gefahr und Not auf dem Wasser – St. Nikolaus und St. Johannes Nepomuk – finden heute noch Wasserprozessionen statt oder kirchliche Segnungen des Flusses mit Lichterschwemmen. Was das Schwimmen angeht, gab es für die früheren Flößer keine Wahl. Sie mussten ins Wasser springen, um verloren gegangenes Transportgut zu retten. Sie allein trugen die Haftung bei Verlust der Ware. Es war deshalb Brauch, dass ältere Flößer „versehentlich“ die Neulinge ins Wasser stießen, um sie vorzubereiten und zu prüfen. Die heutige Flößergeneration hat keine Probleme mit dem Schwimmen, dank des Sportunterrichts in den Schulen.
Technische Innovation und das Ende der Flößerei
Schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es im Isartal Pioniere, die nach anderen Formen der Energiegewinnung suchten: Wilhelm v. Fink, Jacob Heilmann, Johannes Kaempf. Sie beantragten 1889 die Genehmigung für den Bau einer Wasserkraftanlage zur Stromerzeugung im Isarlauf bei Grünwald. Der wasserreiche Alpenfluss sollte die Turbinen antreiben. 1894 nahm das Drehstromkraftwerk Höllriegelskreuth seinen Betrieb auf. Es galt mit einer Maschinenleistung von 2 x 500 PS als das größte in Deutschland. Der erzeugte „grüne Strom“ ging nach München.
Mit dem Jahrhundertprojekt Walchenseekraftwerk schuf Elektroingenieur Oskar von Miller die Grundlagen für eine weitflächige Versorgung des Landes Bayern mit sauberer Energie. Damit konnten auch die Eisenbahnen elektrifiziert werden. Das Hochdruck-Speicherkraftwerk mit einer Nutzfallhöhe von 200 Meter vom Walchensee hinunter zum Kochelsee galt bei der Fertigstellung 1924 als eines der größten Wasserkraftwerke der Welt. Zur Durchführung des Projektes bedurfte es allerdings des leistungsstarken Zuflusses der oberen Isar. Zwei Drittel ihres Wassers werden deshalb bei Krün durch einen Überleitungskanal dem Walchensee zugeführt. Im natürlichen Flussbett aber verblieb zu wenig Nass für die Flößerei. „Schön ist die grüne Isar, schön ist die Flößerei; Wenn kommt das Walchensee-Projekt, dann ist‘s mit unser’m G’werb vorbei!“, lautete ein oft zitierter Spruch im oberen Isartal. Das letzte Floß wurde 1922 an der oberen Isar gewässert.
Etwas flussabwärts bei Vorderriß blieb der Floßtransport auch weiterhin möglich. Denn dort mündet der Rißbach aus dem Karwendel in die Isar ein mit dem nötigen Zuschusswasser. Vor allem die Lenggrieser Flößer profitierten noch gut zwei Jahrzehnte davon. Doch dann begann der Kampf um den Rißbach! Wegen außerordentlicher Energienot nach dem Zweiten Weltkrieg, sollte nun auch dieser wasserreiche Wildbach dem Walchenseekraftwerkt zur verstärkten Energiegewinnung für die Landeselektrizität zugeführt werden. Trotz heftiger Kritik der Flößer und Naturschützer, die auf die nachteiligen Folgen eines Wasserentzugs im verlandeten Bett der oberen Isar verwiesen, kam das Rißbachprojekt 1949 – 1951 zur Ausführung. Bei Vorderriß führt die Rißbachüberleitung unter der Isar zu den Isarbergen hinüber bis zum Niedernach-Kraftwerk, das 1951 seinen Betrieb aufnahm. Die Flößer erhielten wegen Entzugs ihrer Erwerbsgrundlage durch Wasserraub von der Bayernwerk AG zwar eine Entschädigung, doch mussten sie sich nach anderen Verdienstmöglichkeiten umschauen.
In der kleinen Ortschaft Fall bestand über kurze Zeit auch weiterhin die Möglichkeit, ein Floß auf der Isar zu wässern. Doch die Geschäfte mit dem Holztransport auf dem Wasser liefen schlecht. Ohnehin stand ab 1954 der Bau des Sylvensteinspeichers im Gebiet der Faller Klamm bevor, mit Überflutung des alten Dorfes Fall. Die Ausführung des wasserwirtschaftlichen Großprojekts bedeutete das Ende des jahrhundertealten Gewerbes der Flößerei im Isarwinkel. Die Geschichte jedoch lebt weiter in den Heimatmuseen Lenggries und Bad Tölz. Das Flößerbrauchtum aber hält besonders der Holzhacker- und Flößerverein Lenggries mit seinem Jahrtag und Festumzügen aufrecht.
All copyrights: Helga Lauterbach
Helga Lauterbach ist Autorin des Buches „Flossmeister und Flösserbräuche – Tradition und Geschichte an der Isar und Loisach“.
Die Detailaufnahme des schönen Buchcovers wurde unser Titelbild.
Online bestellbar unter → https://schnell-und-steiner.de/produkt/flossmeister-und-floesserbraeuche/
Verlag Schnell + Steiner
ISBN 978-3-7954-3699-5
Euro 20,-