Die meisten Pflanzen geben keinen Laut von sich. Aber lautlose Wesen sind nicht unbedingt wehrlos und nicht unbedingt harmlos. Pflanzen haben im Laufe der Evolution in aller Stille Strategien entwickelt, die man mit der Erfindungsgabe Shakespeares vergleichen kann. Im Fall der „Gewöhnlichen Osterluzei“ geht es dabei um nicht weniger als Giftmord, Gefangennahme und gewaltsame Befruchtung. Wie immer in der Natur haben diese Erfindungen nur ein Ziel – das Überleben der Art zu sichern.
Die Gewöhnliche Osterluzei wächst dort, wo es sonnig und warm ist, am Mittelmeer zum Beispiel oder in Gegenden Deutschlands und Österreichs, wo Wein angebaut wird. Das Vorkommen der Osterluzei deutet sogar manchmal darauf hin, dass an dieser Stelle einmal ein Weinberg war. Von Mai bis Juni zeigt die 30 bis 100 cm hohe Pflanze mit den herzförmigen Blättern ihre intensiv gelben Blüten.
In der Falle
Das Gelb und ein merkwürdiger Blütengeruch ziehen vor allem kleine zweiflügelige Insekten an. Ein Blumenbesucher, der derart angelockt auf der Blütenlippe landet, wird schnell wahrnehmen, dass diese mit Wachs geglättet ist und er von diesem glatten Grund unaufhaltsam hinab in eine Blütenröhre und bis auf den Boden des bauchigen Blütenkessels rutscht. Dort sitzt er in der Falle. Denn nach unten stehende Haare in der Blütenröhre verhindern, dass er wieder hinauf klettern und entfliehen kann, und zwar so lange, bis die Blume befruchtet ist. Das kann bis zu zwei Tagen dauern. Erst dann erschlaffen die Haare der Blütenröhre und geben das Insekt wieder frei. Bis dahin ernährt es die Blume mit ihrem Nektar. Blüten, die solcher Art geformt sind, nennt man bezeichnender Weise „Gleitfallenblume“.
Überlebensstrategie Gift
Noch rigoroser ist die Osterluzei darin, Fressfeinde abzuwehren. Die Pflanze enthält hoch giftige Aristolochiasäuren, die jedem, der an ihren Wurzeln, Blättern oder Samen herum knabbert, unweigerlich den Tod bringen.
Nur dem Osterluzeifalter nicht. Dessen Raupe ernährt sich ausschließlich von der Pflanze und nimmt ihre Gifte schadlos auf. Für das Überleben des Falters und seiner Raupe ist das ungemein praktisch, denn durch das Pflanzengift sind auch sie vor Fressfeinden geschützt.
Antike Heilpflanze
Die antiken Griechen entdeckten die Osterluzei als Heilpflanze und setzten ihre verschiedenen Arten als Gegengift bei Schlangenbissen ein und für die Einleitung des Geburtsvorganges. Lange war die Pflanze ein wichtiger Bestandteil der Heilkräuter-Apotheke. In vielen alten Kräuterbüchern Europas ist sie illustriert. In katholischen Gegenden ist die Osterluzei bei der Kräuterweihe an Maria Himmelfahrt ein traditioneller Bestandteil der Pflanzengebinde.
Zulassung verboten
Erst in unserer Zeit stellte man fest, dass die Aristolochiasäuren für den Menschen krebserregend und nierenschädigend sind. Seit 1981 wird die Verwendung der Gewöhnlichen Osterluzei für Tier- und Humanarzneimittel als bedenklich eingestuft und deren Zulassung ist arzneimittelrechtlich verboten.
Auf der Roten Liste
In Deutschland steht die Gewöhnliche Osterluzei in mehreren Bundesländern auf der Roten Liste gefährdeter Arten. In Österreich gilt sie im Rheintal, dem nördlichen Alpenvorland und in Kärnten als gefährdet.
Abbildung: Journal de jardin et de champs, 1832, Quelle Missouri Botanical Gardens