Wie kam die Orchidee auf die Fensterbank? Teil II – Jagd und Abenteuer
An der Geschichte über die Entdeckung der Cattleya-Orchidee ist bezeichnend, welch großes Geheimnis um ihre Herkunft gemacht wurde. Expeditionen waren enorm aufwendig in der Finanzierung und Durchführung. Dafür blätterten spleenige Sammler ein Vermögen für eine Pflanzenrarität hin. Am Anfang des 19. Jahrhunderts gab es wesentlich mehr reiche Sammler als Pflanzenraritäten. Das machte das Wissen um den Pflanzenstandort so überaus wertvoll. Ein expandierender Geschäftszweig entstand und England wurde im 19. Jahrhundert zum Zentrum dieses Handels. In Hockney gab es die Gärtnerei Lodges & Sons, deren Katalog von 1832 bereits sage und schreibe 1.000 Orchideen listete, in Clapton Hugh Low & Co und in Chelsea Veitch & Sons Ltd.
Ein Vermögen für eine Orchidee
Die Männer, die von den privaten Gärtnereien und Baumschulen in die entferntesten Länder der Erde entsandt wurden, um Seltenheiten wie Orchideen zu finden, riskierten für die Suche ihr Leben. Diese Männer waren Jäger, Pflanzenjäger. Sie nur als Abenteurer wie etwa Goldsucher einzuordnen, wird ihnen nicht gerecht. Aber vielen ist gemeinsam, dass man über ihre Herkunft wenig weiß und dass der gegenseitige Umgang von Rivalität geprägt war. Kein Wunder bei den Summen, die mit im Spiel waren. Etwa 3.000 englische Pfund kostete ein Pflanzenjäger seine Firma jährlich, im 19. Jahrhundert ein beträchtliches Vermögen.
Mit den Männern wurden deshalb verbindliche Rechtsverträge abgeschlossen, die vorgaben, welche Gebiete sie zu erkunden hatten. Die Gärtnerei von James Veitch nahm als erstes die Gebrüder Lobb aus Cornwall unter Vertrag. William Lobb wurde nach Süd- und Nordamerika entsandt, Thomas Lobb nach Asien. Thomas Lobb (1811 – 1894) verpflichtete sich 1843, ausgehend von der Britischen Kronkolonie Singapur, in China und auf Java als Pflanzensammler tätig zu sein. Er sollte Pflanzenraritäten exklusiv für seine Firma auftreiben und Samen, die getrocknete oder die lebende Pflanzenart nach England schaffen. Die bemerkenswerten Routen, die Thomas Lobb dabei zurück legte, wollen wir genauer verfolgen.
Die erstaunlichen Reisen des Thomas Lobb
Bis nach China vorzudringen, war Lobb auf seiner ersten Reise nicht möglich, aber er konnte Java erkunden. Ein zweiter Vertrag führte Lobb 1948 nach Kalkutta, Indien. In der Britischen Kolonie hielt er sich mehr als 20 Jahre auf und erkundete die unbekannten Bergregionen des früheren Assam in Nordostindien. Aus dieser Region konnte er als Erster ein lebendes Exemplar der begehrten Vanda coerulea, der blau blühenden Orchideen Art, nach London senden, obwohl der Pflanzenjäger William Griffith die Orchidee schon 1837 entdeckt hatte. Veitch & Sons gelang es, die Rarität zu kultivieren. Im östlichen Himalaya fand Lobb auch die nach ihm benannte Orchideenart Phalaenopsis lobbii, in den Karia Bergen im östlichen Indien in 1.500 m Höhe die ebenfalls nach ihm benannte Hoya lobbi.
Danach war er in der Gegend um das heutige Mawlamyaing (ehemals Moulmein) in Birma (Myanmar) unterwegs. In Regionen, die mehr als 150 Jahre später immer noch fernab von jedem Tourismuspfad liegen. Von diesen weißen Flecken der Erdkugel aus entsandte er die seltensten Pflanzen, die der Naturwissenschaft zwar bekannt waren, die man aber erst durch Hobbs Pflanzenjagd in Europäischen Gewächshäusern kultiviert werden konnten.
Nach Reisen im Malaiischen Archipel im Südosten Asiens erforschte er, offenbar immer noch bei Gesundheit, die südlichen Teile der Malaysischen Halbinsel, den Norden Borneos und kleinere Inseln. Es grenzt an ein Wunder, dass er bei seinem Reisepensum 83 Jahre alt wurde. Noch weit erstaunlicher, er starb in Cornwall.
Abb.: Illustration L. Costans / E.A. Prevost
Paxton’s Flower Garden, 1853, Vol. 1, t. 36 Vanda Coerulea
Quelle: Missouri Botanical Garden, St. Louis, USA