Der Mensch verändert alle Landschaften dieser Erde, auch die Meereslandschaft. Gelingt es der Natur, sich schnell genug an die Veränderungen anzupassen, oder geht sie dabei drauf?
Ein Beispiel dafür sind die Offshore-Windparks. Eigentlich eine gute Erfindung, die hilft, die Energie des Windes zu nutzen. Draussen auf dem Meer sind die Riesenräder zudem nicht so störend wie auf der Wiese neben dem Eigenheim. Für Zugvögel, die auf unveränderten Flugrouten seit Jahrhunderten die Meere überqueren, sind die Rotoren eines Windrades allerdings lebensbedrohlich. In Reih und Glied aufgestellt wie in den Offshore-Windparks erzeugen sie die Sogwirkung eines Windkanals, der eine Vogelschar mitten hineinziehen kann ins Verderben, auch wenn die Vögel nur am Rand des Windparks entlang fliegen.
Birdmove: Überlebenswichtige Untersuchungen
Die Auswirkungen der Offshore-Windparks auf das Flugverhalten von Zugvögel zu untersuchen, ist deshalb überlebenswichtig für die federleichten Flugkünstler. Für das Projekt „BIRDMOVE“, fördert das Bundesamt für Naturschutz wissenschaftliche Einrichtungen, die das Verhalten von den großen wie kleinen Flugnomaden erforschen. Technisch ist das heute möglich. Sender im Mini-Format und die Satellitentelemetrie kommen bei vielen Seevogelarten bereits erfolgreich zum Einsatz. Die als Rucksack getragenen Sender mit eingebautem GPS verraten detailreich, welche Flugwege einzelne Tiere zurücklegen.
Auf dem Meer lebende Vögel meiden Windparks
Heraus kam bisher als Ergebnis, dass verschiedene Arten, beispielsweise Sing- und Rotdrosseln, Brachvögel und Basstölpel, unterschiedliche Verhaltensweisen entwickeln. So meiden manche Arten die Windparks, andere werden angezogen. Professor Stefan Garthe von der Universität Kiel beschreibt die Unterschiede: „Auf dem Meer lebende Seevögel meiden Offshore-Windparks oftmals deutlich. Dies hängt aber stark von der Vogelart ab. Während Basstölpel bei der Nahrungssuche die Windparks gewöhnlich umfliegen, verbringen Möwen mehr Zeit in den Windparks. Bei allen Vogelarten sehen wir aber erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Individuen.“
Deutsche Bucht: Tagsüber deutlich weniger Kollisionen
In der Deutschen Bucht werden auch Radargeräte, Kameras und Mikrofone zur Erfassung des Vogelzugs eingesetzt. Über mehr als zwölf Jahre wurden etwa auf der Forschungsplattform FINO 1 ziehende Vögel erfasst. In dieser Zeit entstanden mehrere Offshore-Windparks, und es zeigte sich, dass tagsüber die überwiegende Mehrheit der Vögel den Anlagen ausweicht und zumindest das Kollisionsrisiko deutlich vermindert ist. Nach wie vor gibt es jedoch große Wissenslücken, etwa über die Auswirkungen solchen Ausweichverhaltens oder auch über das nächtliche Kollisionsrisiko. Nachts und insbesondere bei schlechtem Wetter ist die Erfassung kleiner Vögel technisch bislang nahezu unmöglich.
Gefährliche Flughöhe

Radaranlage zur Beobachtung von Flugrouten, Kihnu, Estonia
Wikimedia Commons
Im Rahmen des Projektes „BIRDMOVE“ war es durch Kooperation mit französischen und estnischen Forscherinnen und Forschern auch möglich, die Zugrouten Großer Brachvögel von der Atlantikküste über die Nord- und Ostsee bis in die russischen Brutgebiete aufzuzeichnen. Über die offene Ostsee zogen die Tiere in einem typischen Breitfrontzug und ihre Flugrouten überquerten dabei auch bestehende Offshore-Windparks. Aufgrund von technischen Weiterentwicklungen der GPS-Datenlogger gelang es für sieben Brachvögel, Flughöhen aufzuzeichnen. Die Tiere ziehen zwar zum Teil in mehreren Kilometern Höhe, die meisten aber überwiegend unter 300 Metern. Somit gab es deutliche Überschneidungen mit der Höhe von Windkraftanlagen bzw. deren Rotoren.
Für die Zukunft der Tiere wird es überlebenswichtig sein, dass sich Offshore-Windenergieanlagen und Jahrhunderte alte Flugrouten der Vögel nicht überschneiden.
Bildquelle Titelbild: World Migratory Bird Day 2019