Der Dodo wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zum letzten Mal gesehen. Deshalb kann man definitiv behaupten, er ist ausgestorben. Das soll sich nun ändern. Das Erbgut des Dodo wurde rekonstruiert. Und deshalb kündigte das Start-up Unternehmen Colossal Biosciences Ende Januar 2023 an, einen genetischen Doppelgänger wiederzuerschaffen.
Dead as a Dodo
Im englischsprachigen Raum schlug diese Mitteilung hohe Wellen. Denn dort ist der Dodo längst Kult. Es gibt ihn auf Kaffeetassen, Fleecedecken, Geschenkpapier und T-Shirts. Das mag an seiner unnachahmlichen Gestalt liegen: plattfüßig, kurzbeinig, flugunfähig, schwergewichtig, vollkommen friedfertig – eine Hässlichkeit zum Knutschen.
Die Landung europäischer Seefahrer auf seiner Insel Mauritius im Indischen Ozean bedeutete das Ende der endemischen Art. Vertrauensvoll watschelte der Dodo auf die ausgehungerten Zweibeiner zu, da er bis dato keine Fressfeinde kannte. Affen und Ratten im Gefolge des Menschen gaben ihm den Rest. Denn wie der neuseeländische Kakapo brütete er ungeschützt auf dem Boden. Bei nur einem gelegten Ei pro Jahr sein Untergang.
Die Rekonstruktion des Dodo
Die Paläogenetikerin Beth Shapiro arbeitet an dem Dodo-Projekt für das 2021 vom Tech-Unternehmer Ben Lamm und dem Harvard-Genetiker George Church gegründete Start-up. Sie hatte an der University of California in Santa Cruz bereits 2002 das alte Dodo-Erbgut untersucht und mit ihrem Team ein Stück mitochondrialer DNA (mtDNA) des Vogels extrahiert. Dabei kam sie zu dem Ergebnis, dass der engste lebende Verwandte des Dodos die Kragentaube war. Bis 2022 konnte das Team in Santa Cruz das gesamte Genom des Dodos rekonstruieren, wie -> Christine Kenneally in ihrem Dodo-Artikel im Wissenschaftsmagazin Spektrum erläuterte.
Allerdings ist Erbgut nach so langer Zeit degradiert. Deshalb wandeln ähnliche Projekte bisher das Genom einer nah verwandten Spezies so ab, dass eine Art Doppelgänger des ausgestorbenen Tieres entsteht. Das künstlich veränderte Genom pflanzt man anschließend in eine Eizelle dieser verwandten Art ein, aus der sich dann das fertige Tier entwickelt.
Genveränderte Tauben so groß wie ein Dodo
Vögel kann man allerdings noch nicht klonen. Colossal Biosciences erforscht darum ein Verfahren, mit dem man aus Vogeleiern so genannte Urkeimzellen gewinnen kann, aus denen sich reife Eizellen entwickeln. Wenn das Verfahren funktioniert, könnten solche Zellen von Tauben so manipuliert werden, dass sie schließlich zu einem dodoähnlichen Vogel heranreifen. Letztendlich müsste man dazu aber den Umweg über eine genveränderte Taube gehen, die so groß wie ein Dodo ist und zwischen 15 bis 20 kg schwer.
Jede Spezies ist Teil eines Ökosystems
Sollte diese Dodo-Taube den Weg aus dem Labor in unsere heutige Welt finden, stünde sie allerdings ziemlich allein da. Wie man in der Artenforschung schon länger erkannte, existiert keine Art für sich, sondern ist immer nur Teil eines Netzwerkes. Es gäbe niemanden, der dem Labor-Produkt ein Dodo-Verhalten beibringen könnte. Niemand weiß, welche Erfahrungen seine Vorgänger vor mehr als 300 Jahren auf Mauritius machten, weil es zu wenig Fakten über die historischen Ökosysteme auf der Insel gibt. Niemand hat eine Ahnung davon, welches Sozialverhalten der Dodos sich über Generationen entwickelte. Es wäre nur eine Anpassung an die heutigen Ökosysteme möglich. Und die sind ganz sicher nicht dieselben wie vor Hunderten von Jahren. Der Dodo könnte nur in einem streng geschützten Areal überleben, mit einem Chip versehen, der alle seine Bewegungen meldet, und permanent Kamera-überwacht. Wäre der menschengemachte Dodo dann noch ein Dodo?
Artenschutz vor Re-Extinction
Den Dodo wiederauferstehen zu lassen, ist eine sensationelle Nachricht, die Colossal Biosciences viel PR einbrachte. Was die bisherigen Investitionen seiner Geldgeber in Höhe von 150 Millionen Dollar sicher noch steigern wird. Im Vergleich dazu muten Nachrichten von Artenschützern wie etwa vom Bund für Naturschutz wesentlich weniger spektakulär an. Der Bund für Naturschutz Bayern meldete jüngst, dass Umweltverbände naturzerstörerische Bauvorhaben in Zukunft besser bekämpfen können, nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Therme Lindau. Urteile wie diese werden helfen, unsere Ökosysteme als Ganzes besser zu schützen und damit viele bedrohte Arten vor dem Aussterben zu bewahren.
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Titelbild: Dodo Rekonstruktion nach den Erkenntnissen der Oxford University Museum of Natural History, CC BY-SA 3.0 User Ballista Wikimedia Commons
Dodo-Artikel bei Spektrum: https://www.spektrum.de/news/ausgestorbener-vogel-der-dodo-soll-von-den-toten-auferstehen/2104590?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
Mehr Infos zur Therme Lindau;
https://www.bund-naturschutz.de/pressemitteilungen/erfolgreiche-bn-klage-zur-therme-lindau-bundesverwaltungsgericht-staerkt-rechte-von-umweltverbaenden