Zeitenwende 1: Das Urteil des Verfassungsgerichts vom 24.03.21
Dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts Karlsruhe (veröffentlicht unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2656/18 ) schreibt Geschichte. Die Richter gaben den Klägern recht: das deutsche Klimaschutzgesetz ist teilweise verfassungswidrig. Ausreichende Vorgaben für die Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes ab dem Jahr 2031 fehlen. Der Gesetzgeber muss die Fortschreibung der Ziele, den Treibhausgas-Ausstoß auch für die Zeit nach 2030 zu reduzieren, bis Ende kommenden Jahres genauer regeln .
Schon lange suchten Umweltschutzorganisationen wie etwa Greenpeace Möglichkeiten, gegen die Schäden der Klimaerwärmung Klage vor Gerichten zu erheben. Das scheiterte in einem ersten Schritt schon an Fragen der Zuständigkeit. Das scheiterte bisher aber auch an weich gespülten Vorgaben, die zu nichts verpflichten.
Bisher: schöne Ziele – keine konkreten Maßnahmen
Das deutsche Klimaschutzgesetz beispielsweise ging nicht über eine Festlegung der Klimaziele bis zum Jahr 2030 hinaus, konkrete Maßnahmen und die weitere Entwicklung wurden einer Zukunft im Nebel überlassen. Das hat sich mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Karlsruhe geändert. Sie ist für den Umweltschutz ein fundamentaler und wegweisender Meilenstein. Es ist keine Übertreibung zu schreiben, dass sie für eine Zeitenwende im Denken steht.
Kläger waren Mitglieder der Schülerorganisation Fridays for Future, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Deutschen Umwelthilfe (DUH) und Greenpeace. Die Kläger hatten teilweise noch nicht die Volljährigkeit erreicht, aber diese junge Generation ist sich schon genau bewusst, dass sie die Erben der Umweltkatastrophen sein werden, die durch die jämmerliche Ignoranz der Generationen vor ihnen eingeläutet wurden.
Meilenstein im Umweltrecht
Dass die Politik für diese Erben bisher zu wenig in Bewegung brachte, sahen die Richter als Pflichtversäumnis der Gesetzgeber an, die grundrechtlich gesicherte Freiheit des Einzelnen zu wahren. So heißt es in dem Urteil:
- „Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen … durch Umweltbelastungen ein. … Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.“
- „Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität.“
Das Gericht leitete aus seinem Urteil eine Pflicht zur Emissionsminderung ab, um die zukünftigen Lasten durch die Klimaerwärmung abzumildern. Es ist demnach per Gesetz verankert, den Ausstoß von Treibhausgasen zu mindern, und wer dagegen verstößt, den kann man verklagen. Diese Festschreibung zeigte bereits Wirkung. Im Eilverfahren wurde eine Revision des deutschen Klimaschutzgesetzes durch den Bundestag gejagt.
Der genaue Text des Urteils ist veröffentlicht unter
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/03/rs20210324_1bvr265618.html
→ Stellungnahme Fridays for Future zu dem Urteil
https://fridaysforfuture.de/pm-klimaklage-klimapaket-unvereinbar-mit-grundgesetz/
→ Stellungnahme Greenpeace zu dem Urteil
https://www.greenpeace.de/klimaklage-aktuell
Titelbild: Pellworm, Insel im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, Luftbildaufnahme von RaBoe, Wikipedia, CC BY-SA 3.0 de
2019 klagten Greenpeace und drei Bauersfamilien, darunter eine Klägerin aus Pellworm, um die Bundesregierung gerichtlich zu mehr Klimaschutz zu verpflichten.
→ https://act.greenpeace.de/klimaklage