Bildquelle: Abgeordnetenhaus Berlin
Ganz schön viele Leute, überraschenderweise, ganz schön viele Leute! Leider nicht auf dem Land, wo die Bienen immer weniger Nahrung finden und an Hunger und Pestiziden sterben. In den Ballungsräumen der Großstadt, dort, wo es vor Menschen und Autos nur so wuselt, entstehen gerade neue Lebensmöglichkeiten für die Bienen. Das Glück der Bienen ist, dass der urbane Mensch seine Nahrung gerne individualisiert, jedenfalls der, der es sich leisten kann.
Der Trend in der Großstadt geht weg von der abgepackten Plastikware im Supermarkt hin zu Produkten, deren Herstellungsprozess überschaubar, klein aber fein ist. Spezialisierte Kaffeeröstereien schießen wie Pilze aus dem Boden. Vor Eisdielen, die sich auf reine Naturzutaten spezialisiert haben, bilden sich lange Schlangen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis die Bienen von Monsieur Jean Paucton auf der Oper von Paris entdeckt wurden.
Die Bienen des Monsieur Paucton
Ganz richtig, nicht in der Oper, denn Monsieurs Pauctons Bienen singen keine Arien, sie summen vielmehr auf dem Dach der Pariser Institution im 9. Arrondissement. Jean Paucton, der heute über 70 Jahre alt und pensioniert ist, arbeitete dort als Bühnenbildner. Monsieur Paucton ist aber auch Hobbyimker und parkte vor 27 Jahren ein Bienenvolk auf dem Dach seines Arbeitgebers. Nachbarn hatten sich beschwert, dass er auf dem Balkon seiner Wohnung Bienen hielt, deshalb suchte er eine neue Bleibe für sie. Das Dach der Oper sollte nur eine Zwischenstation sein, doch bald stellte er fest, wie gut es seinen Bienen dort ging. So gut, dass sie dort mehr Honig produzierten als seine Landbienen.
Heute sind auf der Pariser Oper fünf Bienenvölker Pauctons angesiedelt. Der Honig, den sie produzieren, wird in der Galerie Lafayette angeboten, für edle 15 Euro das Glas. Pauctons Beispiel machte Schule. Der Hobbyimker löste einen Trend aus, der sich in vielen Großstädten durchgesetzt hat. Allein in Paris gibt es mittlerweile 500 Stadtimker.
Die Großstadt als Habitat
Die Bienen fühlen sich in der Stadt wohl, weil es hier wärmer ist, als auf dem Land, um etwa zwei Grad. Deshalb blühen Blumen in der Stadt früher und länger. Stadtbienen finden in den Parks, Gärten, Friedhöfen, Blühstreifen und auf Balkonen eine größere Vielfalt an Blumen als auf dem Land, das durch die Monokulturen an Arten immer weiter verarmt. In der Stadt sind die Bienen nicht den Pestiziden ausgesetzt, die auf dem Land für die Monokulturen eingesetzt werden.
Deutschland summt
Die Bienen von der Pariser Oper waren die Vorlage für die Idee von Dr. Corinna Hölzer und Cornelis Hemmer von der Stiftung für Mensch und Umwelt in Berlin. Sie setzen die Bienen auf prominenten Dächern Deutschlands nicht nur für die Herstellung des exklusiven Produkts Stadthonig ein. Sie wollen in erster Linie die Aufmerksamkeit und das Interesse für die bedrohliche Existenzsituation der Bienen wecken, in ihrem viel beachteten Projekt „Deutschland summt“. Das Projekt ist ebenso innovativ wie erfolgreich. Bienen Schützen ist Trend, paradoxerweise in der Großstadt. Fünf Partnerstädte haben sich „Deutschland summt“ bereits angeschlossen. In München zum Beispiel werden Bienen auf den prominenten Dächern des Nationaltheaters und der Pinakothek gezüchtet.
Die Bienen des Parlaments
Ausgesprochen klug ist der Schachzug von „Deutschland summt“, auf dem Berliner Abgeordnetenhaus zwei Völker, das sind 50.000 Bienen, anzusiedeln. Denn wenn unsere demokratischen Vertreter schon die Bienen auf dem Dach haben, dann rückt vielleicht auch die Chance näher, dass sie darüber nachdenken, wie man die Habitate bedrohter Bienenarten gesetzlich schützen kann.
Viele Arten von Flora und Fauna sterben gegenwärtig in rasantem Tempo aus. Aber die Bienen werden das Zeitalter des Holozäns, das von den Eingriffen des Menschen geformt wird, überstehen. Weil sie einen neuen Lebensraum, die urbane Landschaft, gefunden haben und wir neue Wege, um mit ihnen zu leben.
-> Projekt Deutschland summt
-> Zur Situation von Wildbienen