Mit dem Paris-Abkommen 2015 hat sich die EU verpflichtet, bis 2050 von fossilen Energieträgern unabhängig zu sein. Erdgas ist in dem Ausstiegsszenario nurmehr eine Übergangslösung. Sein Ende ist absehbar. Bereits jetzt geht die Bundesregierung für Deutschland bis 2035 von einer um 10 % geringeren Nachfrage nach fossilem Gas aus. *)
10 Milliarden für eine Übergangslösung
Man fragt sich deshalb mit Erstaunen, warum alle so heiß darauf sind, für zehn Milliarden Euro einen Nachfolger der Pipeline Nord Stream 1 in der Ostsee zu errichten. Das Pipelineprojekt Nord Stream 2 müsste, um rentabel zu werden, fossiles Erdgas nach Europa transportieren bis weit nach dem vereinbarten Ende der Versorgung mit fossilen Energien.
Effizienz killt Naturschutz
Das 1.200 Kilometer lange Megaprojekt, das man ab 2019 in der Ostsee errichten will, liefert doppelt so viel russisches Gas nach Europa wie bisher, vom hohen Norden Russlands bis nach Greifswald. Um die Route und damit die Kosten so effizient wie möglich zu halten, will man sie mitten durch das russische Naturschutzgebiet Kurgalsky führen. Dafür will Russland seine Umweltgesetze und die Grenzen des Naturschutzgebietes ändern, deckte Greenpeace Österreich auf. Darüber wussten auch am Projekt beteiligte europäische Firmen Bescheid. Entsprechende Dokumente wurden der Organisation zugespielt. ***)
Schon vor der Aufdeckung dieses Skandals hat sich der BUND entschieden gegen den Bau von Nord Stream 2 ausgesprochen.*) Da das Pipeline-Projekt auch Schutzgebiete in Deutschland und Schweden durchschneidet, wäre das gesamte Ökosystem Ostsee betroffen, dem sowieso ein schlechter Zustand bescheinigt wird. Die HELCOM Rote Liste führt bereits jetzt 42 Arten und 16 Lebensräume auf, die durch menschliche Aktivitäten, durch Nähr- und Schadstoffe gefährdet sind.
Wer hat Vorteile?
Nord Stream 2 garantiert Russland die Unabhängigkeit von ukrainischem Gebiet, durch das bisher russisches Gas nach Westeuropa durchgeleitet werden musste. Aber es bringt auch Firmen europaweit Aufträge in Millionenhöhe. So erhielt die Tochtergesellschaft der Voestalpine, die Grobblech GmbH, den größten Auftrag ihrer Unternehmensgeschichte, sie wird hunderttausende von Tonnen hochfester Röhrenbleche liefern, berichtete der österreichische Standard. **) Es ist kein Zufall, dass sich der österreichische Mineralölkonzern OMV an der Finanzierung des Projektes für den Bau beteiligt und an diesen Plänen festhält. Ebenfalls mit im Finanzierungsspiel sind laut Standard die BASF-Tochter Wintershall und Uniper aus Deutschland, Shell/Niederlande und Engie/Frankreich.
Gewinner des Spiels ist: die Verantwortungslosigkeit
Das Paris-Abkommen wollte ein Meilenstein für den Klima- und Umweltschutz sein. Sehr bitter, dass entgegen aller öffentlichen Bekundungen Politiker und Konzerne mit Naturschutzgesetzen spielen können wie mit Jonglierbällen. Weder der kleine Bürger noch die Natur gewinnen damit. Es gewinnt nur die Verantwortungslosigkeit.
Bei Avaaz kann man eine Kampagne gegen die Pipeline unterzeichnen
*) Stellungnahme des BUND Landesverbandes MecklenburgVorpommern e.V. zur geplanten Nord Stream 2-Erdgaspipeline durch die Ostsee von der Narva-Bucht (RUS) nach Lubmin (D) -> http://www.ccb.se/Evidence2017/BUND_NABU_WWF_comments_NS2.pdf
**) Günther Strobl, Der Standard, 1.6.2017
***) Greenpeace Austria
Titelbild: Schweinswal (Phocoena phocoena) in der Flensburger Förde (2013); fotgrafiert von Ostseebad aus
von Soenke Rahn [CC BY-SA 3.0], Wikimedia Commons