Die Demokratie zu Gast im Weltsalon auf dem
Winter-Tollwood-Festival in München
Das hätten sich die Organisatoren bei der Planung des Weltsalons für das diesjährige Winter-Tollwood-Festival auch nicht gedacht. Dass ihr Thema im Angesicht der Ereignisse im deutschen Herbst 2017 derart aktuell sein wird: Demokratie. Demokratie, so heißt es in der Ausstellung, ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen ihre Werte immer wieder neu hinterfragen und definieren. Und wir müssen lernen, sie zu verteidigen.
Schön, dass zu den Werten der Demokratie wenigstens im Weltsalon der Schutz der Umwelt gezählt wird. Denn Umweltschutz bedeutet, gemeinsam verantwortungsvoll zu handeln, nicht nur für die Natur, die uns umgibt und uns ausgeliefert ist, sondern auch für unsere nächsten Generationen. Welche Welt werden wir ihnen hinterlassen?
Der Weltsalon ist ein Zelt, gleich hinter dem Haupteingang auf dem Tollwood-Festivalgelände. Und unglücklicherweise ist die Innenseite des Zeltdachs in einem Funzelschwarz, das Farben aufsaugt wie eines der schwarzen Löcher im Weltall. Adam Stubley, der gestalterische Leiter, hat das schwarze Nichts effektvoll miteinbezogen. Neon-Installationen leuchten in der Dunkelheit und im Dämmerlicht schimmert das Wort „Democracy“ fast mystisch hinter bedrückend leeren schwarzen Stuhlreihen. Das Wort, elf Meter lang und von dem spanischen Künstler SpY zusammengesetzt aus Tausenden von Zwei-Cent-Münzen.
Vor dem Hintergrund der jüngsten politischen Ereignisse in Deutschland kann sich der Besucher aussuchen, ob der sanfte Glanz der Wortinstallation ein verheißungsvolles Leuchten oder das letzte Aufflackern ist, bevor sich der Begriff Demokratie auflöst.
Der kalte Herbst
Wir fassen zusammen: in Bonn findet die wichtigste internationale Klimaschutz-Veranstaltung des Jahres statt, zu der Teilnehmer aus allen Ländern der Welt zusammenkommen, um über die Einhaltung der Klimaziele des UN-Klimaschutzplans von 2015 zu beraten.
Zeitgleich ereignen sich in Berlin die Sondierungsgespräche zur neuen Regierungsbildung wie in einer parallelen Welt, in der die Parteien ein Klimaziel nach dem anderen klein reden. Es muss eine Parallelwelt sein, denn nur so ist nachvollziehbar, dass genau zu diesem Zeitpunkt der CSU-Politiker Alexander Dobrindt im Frühstücksfernsehen erklärt, der Kohleausstieg sei vollkommen abwegig. Dass der FDP-Politiker Christian Lindner vor laufenden Kameras einem Häuflein Demonstranten gegen den Kohleausstieg publikumswirksam die Hände schüttelt. Während in Bonn Tausende von Umweltschützern für den Kohleausstieg auf die Straße gehen.
Politisches Ignorantentum
Diese parallele Welt der Politik existiert ohne Blick nach draußen, die Forderungen der Umweltschützer dieses Landes werden einfach ignoriert. Nur so ist es erklärbar, dass der Fürsprecher der Agrarindustrie, Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, im Alleingang in Brüssel sein „Ja“ zur Verlängerung der Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat gegeben hat. Ohne sein „Ja“ wäre für diese Entscheidung in Brüssel keine Mehrheit zusammengekommen.
Das Vorgehen Schmidts erfolgte angeblich im Alleingang. Sicher ist bis jetzt am Ablauf, dass es ohne jede Abstimmung mit der Umweltschutzministerin Barbara Hendricks ablief. Ein absoluter Skandal und eklatanter Verstoß gegen die Geschäftsordnung der Regierung, der für Schmidt bislang folgenlos bleibt und in dem Gekäue um die Regierungsbildung so schnell wie möglich in Vergessenheit geraten soll.
Das heißt nicht nur, dass eine Ministerin düpiert wurde. Es bedeutet vor allem, dass Umweltschutz für die gegenwärtigen Strippenzieher der Politik keinerlei Bedeutung hat.
Umweltschutz, das konnten wir in diesem Herbst lernen, kann man nicht der Politik überlassen. Denn die gewählten Volksvertreter vertreten diesen demokratischen Wert nicht. Sie treten ihn vielmehr mit Füßen. Wir werden andere und neue Wege in der Demokratie finden müssen, um unserer Verantwortung für die Natur und den nächsten Generationen gerecht zu werden.
Tollwood-Festival: www.tollwood.de/wir-alle
Ausstellung im Weltsalon „Schauplatz Demokratie“
23.11. – 31.12.17
Hintergrundwissen zum Glyphosat-Skandal:
Süddeutsche Zeitung: Lena Kampf/Robert Roßmann „Glyphosat – Minister Schmidt darf bleiben“
Bild 1: SpY, Democracy
Bild 2: David Hettich, Welt unter Wasser (Filmvorführung am 10.12., Beginn 19:30 Uhr, Eintritt frei)
Bild 3: Weltsalon mit Hund
Bild 4: Installation der Jugendgruppe IMAL (International Munich Art Lab) „I can’t believe I still have to protest that shit“
Bildquellen: memonature